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Tierfotos im Stuttgarter Schlossgarten |
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Rosensteinpark 2014
Januar - März
April
Mai-Juni
August
September
Oktober
November
Dezember
30. Juli
Ich bin zu früh aufgestanden. Draußen ist es noch stockdunkel. Es ist mir zu unheimlisch so früh in den Park zu gehen, aber den Schlafplatz der Amazonen inmitten der Stadt kann ich vielleicht
besuchen.
Gedacht, getan. Kurz vor dem Sonnenaufgang stand ich unter den Platanen in Bad Cannstatt. Aber dort herrschte eine absolute Stille. Wo sind die Amazonen ??? Im Morgengrauen flogen nur Schatten
von Krähen und Tauben. Eine Amsel suchte nach Würmern auf dem Bürgersteig, aber von den bunten Papageien war nichts zu spüren. Sind sie schon weg ???
Enttäuscht wollte ich mich langsam Richtung Park bewegen, als ich plötzlich im dunkelgrünen Laub zwei Schatten bemerkte, die ein bisschen anders als Blätter aussahen.
Tatsächlich waren es schlafende Papageien. Sie wurden genau mit dem Sonnenaufgang wach. Es war immer noch so dunkel, dass ich
den ISO Wert auf maximal erhöhen musste. Dennoch bleiben die Bilder leider unscharf wie ein Gespenst....
Es war sogar ein Junges. Ob es sich hier um eins der beiden, die ich ausfliegen gesehen hatte, oder ein anderes handelt, ist auf diesem unscharfen Bild schwer zu erkennen.
Nach und nach wurden die Vögel wach und fingen an zu kreischen. Bald herrschte ein richtige Dschungel-Stimmung in der Stadt. Die Amazonen tobten und flogen überall herum.
Meistens waren jüngere Vögel mit wenig gelber Farbe am Kopf. Sie sind noch nicht geschlechtsreif und brüten nicht. Die brütenden Erwachsenen bleiben vermutlich in der Nähe
ihrer Höhle im Park.
Ich sah wieder ein Junges, das Butschi oder sein Geschwisterteil sein konnte !
Der exotische Chor dauerte eine halbe Stunde. Allmählich verschwanden die Vögel irgendwo in der Stadt um nach Futter zu suchen.
Die Straßenbäume und Gartenvegetation bieten eine erstaunlich große Wahl an. Baumhasel, Zierapfel, Eibe, Walnüsse, Buche, Ahorn usw.
Ich nahm die Straßenbahn, und verließ die jetzt papageienleere Stadt. Nach dem Gewühl in der stark befahrenen Innenstadt in Bad Cannstatt genoße ich jetzt die Ruhe im Park.
Am Abend ging ich sogar nochmal hin mit Herrn Hoppe zusammen. Am Pumpsee konnten wir zwei Zwergtaucher, einen erwachsenen und einen jungen, bei einer Art Tanz-Übung beobachten...
Dann sahen wir ein Amazonenpaar, das ich Mimi und Rodolfo getauft habe. Sie sind beide Hybrid, das Weibchen hat einen helleren Schnabel und... eine erfrorene Hand... öh, Füßchen.
Das Weibchen "Mimi"
Sie dösten im Licht des Spätnachmittags. Herr Hoppe war entsezt. Sie sollten eigentlich sich jetzt um ihren Nachwuchs in ihrem Nest kümmern statt zu faulenzen...
Das Männchen "Rodolfo" hat einen dunkleren Schnabel.
27. Juli
Suchbild: Wo sind die Amazonen ?
Schon am Bahnhof Bad Cannstatt rief ein Amazonenpaar. Das war die Witwe von Pythagoras und ihr neuer Partner, die auf der Spitze einer Platane direkt neben den Schienen saßen.
Auch andere Stimmen kamen vom Wilhelmplatz, wo ich auf eine ganze Mannschaft traf, die gerade in einer Hainbuche frühstückte.
Man hörte das leise Geräusch wie die Vögel mit ihrem Schnabel die kleinen
Saatkerne knabberten. Herrlich!
Das ist der neue Weg zum Rosensteinpark und zur Wilhelma.
Der Wilhelmasteg steht jetzt wie die Brücke von Avignon in Südfrankreich, aber weit entfernt von
ihrer Schönheit. "Ich mag nicht die Architektur in den neuen Städten... Sie machen keine schöne Ruine", sagte der französische Dichter Jacques Prévert. Auch ich habe nie
moderne Architekturen gemocht. Sie werden im Regen nie malerisch, bleiben nur kalt und steril.
Hier wird auch bald eine hässliche Ruine entstehen.
Und hier wird kahl geschlagen.
Viele Blaumeisen flatterten zwischen den Kastanien-Blättern.
Am Pumpsee kletterte ein Teichhuhn in den Maulbeerbaum um die Früchte zu fressen ! Es erinnert mich an den Mohrenguan in Costa Rica, ein riesiges schwarzes Huhn, das
im Nebelwald vorkommt und von Baum zu Baum fliegt, wobei es ein merkwürdiges Propeller-Geräusch macht.
Mohrenguan (Chamaepetes unicolor) in Santa Elena National Park, Costa Rica (06. Mai 2014)
Zwei Blesshühner schmusten miteinander. Sie waren sogar gestern schon da.
25. Juli
Es ist lustig wie das Teichhuhn morgens früh, wenn der Park noch leer ist, gerne auf den Bänken oder dem Geländer sitzt.
Heute folgte ich den Rufen der Amazonen, und ging Richtung nördlichen Teil des Rosensteinparks, wo ich lange nicht mehr war. Man hat an der Prager Straße entlang die Bäume massiv
abgeholzt, so dass ich keine Lust mehr hatte diesen Teil zu besuchen.
Es war Willi, der rief, eine Hybrid-Amazone, die in der Wilhelma brütet und oft in der Nähe vom Pumpsee auftaucht. Wegen seiner weißen Stelle an der Wange, wirkt sein Gesichtsausdruck
etwas grimmig, ein bisschen wie ein Verbrecher von Tombstone... Zunächst wollte ich ihn "Billy (the kid)" nennen, aber es tut mir doch zu Leid. Also habe ich ihn seinem
Brutsort gemäß "Willi" genannt. Nun habe ich auch für seine Frau einen Namen gefunden: "Maja". Jawohl, Willi ist auch der Freund von der Biene Maja.
Willis Freundin, Maja.
Als ich das gesehen habe, hatte ich gedacht, dass die beiden jetzt hier brüten. Maja hat aber wahrscheinlich nur in dieser Öffnung Wasser getrunken.
Ich traf noch das neue Amazonen-Paar, das die ehemalige Bruthöhle von Pythagoras übernommen hat.
Plötzlich saß das Männchen am Boden und pickte etwas. Sehr seltsam !
Das ist das Weibchen. Als ich dieses Foto an Johanne schickte, machte sie mich darauf aufmerksam, dass die Krallen von diesem Vogel verwachsen sind.
Ich wurde sehr nachdenklich und suchte in meinen Archiven nach alten Fotos. Ich wurde fundig : Das Weibchen von Pythagoras hatte auch verwachsene Krallen !
Das ist der gleiche Vogel !
Pythagoras und sein Weibchen am 26.Juni 2013
Herr Hoppe bestätigte meine Funde. Der Vogel habe wohl erfrorene Zehenspitzen, so dass durch die steife Haltung der Zehen die Krallen nicht mehr abgenutzt werden.
Solche Krallenstellung soll es nicht bei einer zweiten Amazone geben. Die traurige Schlussfolgerung ist, dass nur der Tod von Pythagoras der Grund sein kann, dass sein Weibchen
sich einen neuen Partner ausgesucht hat... Ich blieb eine Weile unglaublich traurig.
20. Juli
"Fuck You"
Mehr kann man nicht machen vor dieser Baustelle. Es bleibt nur ein ohnmächtiges Gefühl.
Der Weg ist gesperrt. Die Erinnerungen und die Hoffnung auch mit.
"Man muss heute schnell alles fotografieren denn alles verschwindet so schnell" schrieb mir ein französischer Fotograf.
Ein früher Spaziergänger, Herr Amsel.
Ich habe zwei Feldhasen überrascht: "Furchtbar, diese Frau mit dem dicken Objektiv!
Nichts wie weg! "
Sie waren sogar drei.
Zwei Nilgänse beim Synchron-Tanz.
Ein Grünspecht guckt in eine Amazonen-Bruthöhle rein. Ob es reine Neugier ist, oder ob er Amazonen-Küken erbeuten möchte solange sie noch klein sind ???
Die Elternvögel waren gerade nicht da. Der Specht flog desinteressiert weiter. Ich möchte auch mal in die Höhle reingucken...
19. Juli
Kurz nach dem Sonnenaufgang flogen einige Papageien-Paare über den Park. Nachdem Butschi ausgeflogen ist, will ich wissen was die andere Familien machen. Aber ich merke, wie
Butschis Eltern mit uns ausnahmsweise zutraulich waren. Die anderen Amazonen verraten mir gar nicht wo ihre Bruthöhlen sind. Solange ich in der Nähe bleibe, fliegen sie nie in ihre Höhle rein.
Also nicht länger die schon genug gestressten Vögel belästigen: Ich ging weiter und suchte nach anderen Motive. Es gibt auch zahlreich davon in diesem (noch) fantastischen Park.
Zum Beispiel:
Graugänse und Obdachlose.
Ein Männchen-Grünspecht
Eine Familie Kleiber war unterwegs und einer guckte in eine Amazonen-Bruthöhle rein. Es ist aber nichts passiert.
17. Juli
Einer der schönsten Tage in meinem Leben. Genau um 9.00 Uhr wurde der kleine Butchi vom Vater abgeholt.
Ich weiss nicht, wie sie sich verständigt haben. Keinen einzigen Ruf haben sie hören lassen. Der Vater flog, wie vorgestern, schnell in die Höhle rein und kaum nach einer Minute schon wieder raus.
Was hat er innerhalb so kurzer Zeit seinem Jungen gesagt ? Wie hat er ihn überzeugt ? Sofort hinter dem Vater ist Butschi am Eingang erschienen.
Dreimal hat er leise nach den Eltern gerufen. Keine Antwort. Dann hat er sich entschlossen. Blitzschnell wie vorgestern.
Vor mir blieb nur die dunkle Bruthöhle, diesmal richtig leer, wie ein altes Kleiderstück.
Ich fühlte, "wie eine dicke Kugel in meinem Hals steckte", wie die Franzosen sagen. Ein unerklärbares Gefühl. Ich habe den Eindruck, dass ich die Zeit, die stets voranschreitet, mit meiner Hand
berühren kann. Werde ich wieder irgendwo die beiden sehen können ? In dem dichten Platanen-Dschungel ist nichts mehr zu finden.
Butschi ist ausgeflogen.
Zwei Hohltauben-Paare brüten in der Nachbarschaft.
16. Juli
Für ihre Studie braucht Johanne genaue Daten so dass sie gestern bis zum späten Abend im Park geblieben ist um zu beobachten, wie sich das zweite Junge verhält.
Dank ihrer Beobachtung wusste ich, dass das kleine, das mittlerweile "Butschi" getauft wurde, immer noch im Nest sitzt. Es hat seit gestern morgen von den Eltern kein Futter mehr
bekommen. Der arme...
Zum ersten mal konnte ich die neuen Besitzer der ehemaligen Bruthöhle von Pythagoras sehen. Während ich Pythagoras letztes Jahr fast bei jedem Parkbesuch getroffen hatte, bin ich diesem
Paar bisher nie begegnet. Sie sind auch sehr scheu. Sie schauten skeptisch auf mein Objektiv und flogen bald weg... Tja, mit Brutvögeln muss man immer vorsichtig sein.
Butschi ist deutlich ängstlicher als sein Geschwisterteil, das gestern schon ausgeflogen ist. Er streckt nur seinen Kopf aus dem Eingang der Höhle heraus.
Vielleicht ist er noch nicht kräftig genug um die Innenwand hoch zu klettern.
Im Gegenteil zu gestern, wo die Eltern schon früh in der Nähe der Höhle waren, blieben ihre Stimmen heute weit oben iregendwo in der Baumkrone. Johanne, die mittlerweile auch da war,
machte sich Sorgen, dass sie ihr zweites Junge vergessen haben könnten. Wir machten sogar schon einen Plan, wie man das verhungerte Baby retten könnte.
Der Papagei-Experte, Herr Hoppe, der auch etwas später zu uns gekommen war beruhigte uns, dass es normal sei. Das Junge wird jetzt ausgehungert damit es sich entschließt rauszukommen.
Außerdem hat ein Amazonen-Nestling genug Fett Reserven um ein paar Tage fasten zu überleben.
"Heute wird nichts mehr passieren, ich bin 99% sicher" sagte Herr Hoppe gegen Mittag. Es sei schon zu spät um auszufliegen. Also brach ich auf, und er hatte recht, wie wir später feststellen konnten.
15. Juli
Nach nur sieben Stunden Unterbrechung stand ich wieder im Park.
Die ganze Nacht konnte ich gar nicht schlafen. Was macht das Junge ? Schläft es ? Ist es vielleicht doch schon ausgeflogen ?
In der Morgendämmerung sieht der Inselsee großartig aus. Ein tausendfaches wildes Schnattern und Quaken in einem menschenleeren Park.
Auch das erste Amazonenpaar flog kreischend hoch über mir hinweg. Wohin ?
Mit klopfendem Herzen eilte ich zum Brutbaum. Enttäuschung.
Die Höhle war leer und es herrschte nur eine absolute Stille. Ich hatte fast den Eindruck, dass ich gestern geträumt habe.
Aber bald hörte ich ein lautes Duett aus dem benachbarten Baum. Das können nur die Eltern sein.
Von allen Seiten riefen Amazonen.
Es scheint, dass andere Paare auch noch brüten.
Um 6.30 Uhr erschien das kleine Köpfchen genau wie gestern in der Höhle und schaute auf mich herunter.
"Guten morgen, Junges !"
Wir haben noch keinen Namen für ihn gefunden...
Als Johanne außer Atem angekommen war, war wieder das Köpfchen weg, aber wir konnten einen Altvogel in der Nähe der Höhle flattern sehen.
"Ach, Mamagei !" sagte Johanne nach dem sie durch ihr Fernglas geguckt hatte.
Mamagei
Das Junge schaute hin und wieder aus der Höhle. Es sah schon ziemlich willig aus, doch zögerte es loszufliegen. Oder besser gesagt es schien keine Eile zu haben.
Mehrmals hoben wir ganz gespannt unsere Kamera und mussten sie wieder absetzen mit einem "Uff..."
Plötzlich flog der Vater, der lange in der Nähe gewartet hatte, in die Höhle rein.
Ich dachte, dass er jetzt sein Junges füttern will. Aber er kam schnell wieder raus.
Direkt hinter ihm guckte das Junge wieder aus der Öffnung. Es war wie ein Blitz. Kaum hatte es seine Flügel breit geöffnet da war es schon hinter dem Vater in der nächsten Platane gelandet.
Auch Mamagei war dabei. Das ganze ist so schnell abgelaufen, dass ich nicht richtig realisieren konnte was geschah.
"Tschüß, viel Glück !" winkte Johanne mit ihrer Hand.
Das war's. Wir können jetzt nach Hause... Ich streckte mich und wollte meine Sachen im Rucksack einpacken, als ich Johanne schreien hörte:
"Wer ist denn das !?"
Das kann doch nicht wahr sein. Noch ein Köpfchen war im Höhleneingang aufgetaucht. Ich habe immer gehört, dass die Amazonen normalerweise nur ein Junges haben.
Jetzt fängt wieder alles von vorne an !
14. Juli
2011 hat die junge Biologin Frau Johanne Martens begleitet von Herrn Hoppe angefangen über die Amazonen in Stuttgart zu forschen für eine Bachelorarbeit.
Über ihre Fleiß und ihre Ausdauer hatte ich schon oft von Herrn Hoppe gehört. Ihre Beobachtungsberichte, die in einigen Fachmagazinen erschienen sind,
hatte ich auch gelesen und wünschte nun sie persönlich kennenzulernen.
Heute haben wir uns spät nachmittags vor dem Brutbaum von Pythagoras verabredet.
A propos Pythagoras, keiner von uns hat ihn seit letztem Winter gesehen... Herr Hoppe macht sich große Sorgen,
denn ein anderes Gelbkopfamazonen-Paar sitzt in seiner ehemaligen Bruthöhle... Auch ich suche ihn wie verrückt seit Anfang der Brutsaison: vergeblich.
Wo mag er sein ?
Da der Wilhelmasteg (Elefantensteg) für den Abriss schon gesperrt ist, nahm ich zum ersten mal in Bad Cannstatt die Straßenbahn bis zu den Mineralbädern.
Ein bequemer Weg eigentlich.
Ich bin früher angekommen, und besuchte den Hang wo der Elefantensteg zum Rosensteinpark führt.
Hier sollen die Öffnungen für den Rosensteintunnel sowie den Zugtunnel für S21 gegraben werden.
Also muss alles weg.
Ein Zaunkönig und ein Grauschnäpper hoppelten vor mir über die Treppe als ob sie mich führen wollten. Sie waren gar nicht scheu.
Amseln, Meisen, Kleiber, Finken flattern auch umher.
Die Wiesen um dem Pumpsee sind wieder voll mit Feldhasen.
Um sieben Uhr traf ich Johanne, und mit großer Begeisterung fangen wir sofort an unsere Kenntnisse, unsere Liebe zur Natur,
aber vor allem unsere Enttäuschung und Empörung über den gescheiterten Artenschutz besonders bei Stuttgart 21 auszutauschen.
Während ihrer Forschung konnte Johanne mehrere Waldkäuze im Park beobachten und fotografieren.
Es hießt aber im Gutachten der Bahn, dass im Park keine Eulenvögel vorkommen.
Mittlerweile habe ich verstanden, dass Umweltschutz bedeutet die Wirtschaft vor der Umwelt zu schützen.
Zwar redeten wir pausenlos aber wir hatten auch nicht die Amazonen vergessen. Immer wieder spitzten wir unsere Ohren. Keiner rief...
Heute wird nichts mehr passieren, dachten wir, und wollten lieber bald den Schlafplatz besuchen.
Plötzlich sah ich einen dicken Schatten an einer Bruthöhle.
"Es ist ein Junges !" schrie Johanne.
"Weisst du was für ein unverschämtes Glück wir haben ?"
"Ja.." sagte ich ein bisschen unsicher. Sollte man tatsächlich sich schämen oder handelt es sich hier nur um einen deutschen Ausdruck ???
Wäre es in Japan gewesen hätte ich mich vielleicht tausend mal entschuldigen müssen, dass ich so ein riesiges Glück erleben darf.
Ich hatte in Johannes Bericht gelesen, dass sie im Sommer 2011 hundert Stunden gewartet hatte um eine junge Amazone ausfliegen sehen zu können:
"Der Jungvogel zögerte einige Tage, während derer er immer wieder aus der Höhle schaute und
leise krächzend nach den Eltern rief, die jedoch nicht antworteten, wohl, um keine Aufmerksamkeit auf sich und ihr
unerfahrenes Junges zu lenken. Dieses fiel anfangs beim Herausschauen des Öfteren in die Höhle zurück, bis es
offensichtlich gelernt hatte, sich an der Innenwand emporzuziehen und im Eingang zu sitzen. Auch gewöhnte es sich
an Passanten und Radfahrer und fiel nicht mehr vor Schreck nach hinten, wenn jemand auf einem Rad vorbeikam.
Es war ein großartiger Anblick, als es nach drei Tagen des Zögerns schließlich losflog, um einige Bäume weiter mit
seiner elterlichen Begleitung zu verschnaufen. Nach über 100 Stunden des Wartens vor der Höhle während der
gesamten Brut und Aufzucht wurde das Junge „Godot“ getauft ..." (Einblicke in der Ökologie der freilebenden Stuttgarter Amazonengruppe, Johanne Martens, Papageien 2/2014)
Das Junge, das direkt über uns sitzt, stammt von dem gleichen Brutpaar.
Anders als sein Geschwister vom Jahrgang 2011 scheint er gar nicht ängstlich zu sein,
und schaute neugierig mit seinen dunklen runden Äugelchen auf die für ihn noch unbekannte Welt.
Unsere Anwesenheit schien ihn nicht zu stören. Total entspannt gähnte er manchmal. Nicht entspannt waren sicher seine Eltern,
die aufmerksam irgendwo in der Nähe saßen...
Johanne befürchtete, dass das junge Tier noch heute ausfliegen könnte.
Weil die Amazonen im Dunkel nicht gut sehen können, wäre es für das noch ungeschickte Papageikind zu riskant
in der Dämmerung zum Schlafplatz zu fliegen.
Obwohl das Junge schon direkt am Rand der Höhle saß, wagte er nicht weiter rauszufliegen.
Irgendwann sahen wir die Eltern Richtung Bad Cannstatt wegfliegen.... Rätzelhaft ist, dass
ich drei Schatten sah.
Es war halb zehn.
Am Himmel wimmelte es plötzlich von Fledermäusen.
Ich erinnerte mich an die alten Tagen am Anfang des Widerstands gegen Stuttgart 21 als
unser Biologe aus Esslingen mit seinem Detektor im Mittleren Schlossgarten Fledermaus-Führungen veranstaltet hatte.
Es war eine schöne Zeit. Es war, wie in eine andere Welt, wo
wir noch an viele Sachen glaubten : an Vernunft, an Menschenverstand, an Ethik und Moral usw. Es ist nicht nur der Park und der Bahnhof,
die zerstört wurden, viel schlimmer ist,
dass unser Vertrauen auf die Menschen verloren gegangen ist.
Die junge Amazone hat sein Köpfchen tief in die Höhle zurück gezogen. Wir wollen morgen weiter die Entwicklung verfolgen.
3. Juli
Einige letzte Fahrradfahrer auf dem Elefantensteg, der bald abgerissen wird.
Diese schäbigen Schilder entsprechen wunderbar der jetzigen desolaten Landschaft von Stuttgart.
Am Ende des Elefantenstegs am Eingang zum Rosensteinpark bilden die dichten Bäume einen schönen natürlichen Bogen.
Ich fand immer diese Öffnung irgendwie magisch. Gleich hinten fängt schon eine reiche Tierwelt an.
Oft treffe ich sofort lebhafte Eichhörnchen oder eine fröhliche Vogelschar beim Nahrung suchen. Man vergisst schnell, dass die laute B10 direkt darunter verläuft.
Als ich heute wieder über meinen gewöhnlichen Weg von Bad Cannstatt den Rosensteinpark erreichte, kamen mir plötzlich Tränen in die Augen, ohne dass ich an etwas gedacht hatte.
So etwas ist mir bisher nie passiert. Ich verstand, dass bald das Ende kommen wird.
Dann traf ich Bruno, den Mitarbeiter der Wilhelma, auf seinem Weg zur Arbeit.
Wir unterhielten uns eine Weile, und das hat mir gut getan. Solidarische Gefühle sind die besten Mittel gegen Depression.
An den Wiesen entlang ging ich zum Pumpsee. Überall sind viele Hasen. Auch Junge sind dabei.
Am Pumpsee
Die zweite Brut des Zwergtauchers war erfolgreich, und endlich konnte ich diese scheuen Vögel fotografieren. Dann musste ich lachen. Gestern wurden wir von unseren Vogel-Freunden eingeladen gemeinsam
nach Irland zu fliegen um dort "Papageientaucher" zu beobachten. Ich hatte geantwortet, dass ich zunächst in unserem Stadtpark "Papageien ohne Taucher" suchen fahren will.
Ausgerechnet heute konnte ich keinen einzigen Papagei fotografieren sondern nur Taucher !
Wieder ein Schock : die gemütliche Bank unter den Kastanien am Eingang des Parks war abgerissen...
Januar - März
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